Interview mit Martina Frank
Musikerin und Gewandschneiderin
Wie bist Du zum Schneidern bekommen?
Martina: Meine bei uns wohnende Grossmutter
war Schneiderin- Kleider wurden grundsätzlich nicht
gekauft, sondern von Oma genäht, daneben häkelte
und strickte sie wunderschöne feine Spitzen. Meine
Mutter stickte hauptsächlich Gobelins und arbeitete
sehr gern mit Frivolité - Schiffchen, meine Schwester
strickte begeistert- so wuchs ich ziemlich selbstver-
ständlich in die textile Welt hinein.
Erste Nähversuche in die historische Richtung machte
ich mit etwa 14 Jahren, als Barbie und Ken auf dem
Plan erschienen. Zu dieser Zeit war auch bereits der
Berufswunsch klar: Musikstudium mit Hauptfach Klavier,
was ich dann an den Musikhochschulen in Freiburg im
Breisgau und Stuttgart absolvierte. Von der ersten
Stipendiumsnachzahlung kaufte ich allerdings eine
Nähmaschine...Dass ich keine Kleider kaufte, verstand
sich nach wie vor von selbst- und so blieb das Nähen
und Handarbeiten sozusagen das zweite Standbein neben
der Musik- vor allem, weil gekaufte Konzertkleider
meist nicht funktional gearbeitet sind.
Warum historische Gewänder?
Martina: Das entscheidende Erlebnis war wohl
Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ die ich
mit 4 Jahren im Theater sehen durfte. Die Kombination
Musik /schöne Kleider machte einen sehr nachhaltigen
Eindruck auf mich. Das Anfertigen historischer Gewänder,
die Beschäftigung mit edlen Stoffen und Farben, die
Recherchen in der Kunst- und Modegeschichte bieten mir
einen Ausgleich zur eher geistigen Musikausübung: wenn
ich drei Stunden geübt habe, weiss ich das zwar und es
befriedigt mich durchaus, wenn ich drei Stunden gestickt
habe, kann ich das Ergebnis jedoch anschauen und anfassen.
Beide Tätigkeiten sind künstlerischer Art und die Erfahr-
ungen im einen Bereich dienen immer auch dem anderen.
Inzwischen verbinde ich Musik und historische Kleider
in meinem Musikensemble „Camerata Ottocento- Kammermusik
im Gewand ihrer Zeit“. In wechselnder Besetzung mit Gesang
und Klavier führen wir Werke des späten 18., des gesamten
19. und frühen 20. Jahrhundert auf, ich begleite die
Sängerinnen und Sänger und nähe für alle die passenden
Kleider.
Wie läuft der Entwicklungsprozess eines Gewandes bei Dir ab?
Martina: Meist gibt es beim Betrachten von Gemälden
oder alten Modezeichnungen einen „Wow“-Effekt, manchmal
steht auch eine musikalische (Programm)-Idee am Anfang, zu
der ich dann die passenden Bilder suche. – Das Wunschmodell
wird für das Nähtagebuch möglichst genau beschrieben:
Materialien, Schnitt, Details, Dekor. Eine ganz entschei-
dende Rolle spielt natürlich der Unterbau, ohne den von der
Renaissance bis ins frühe 20. Jahrhundert kein Kleid
auskommt. Schnürbrust, „stays“ oder Korsett ist dann jeweils
das erste, was hergestellt wird- darüber wird der Schnitt
konstruiert, sodann nähe ich ein Probemodell aus Nessel, das
immer noch genau angepasst werden muss. Nach dem Übertagen
aller Änderungen auf den Papierschnitt beginnt die Arbeit
mit dem Originalmaterial. Wenn das Kleidungsstück mit hand-
gearbeitetem Dekor verziert wird, geschieht das Aufzeichnen
und Sticken immer am grob zugeschnittenen Teil vor dem Nähen.
Schneiderst du ein Gewand in der Tradition der jeweiligen Epoche ,
oder so, wie es heute angefertigt würde?
Martina: Am liebsten traditionell - es ist sehr spannend,
ein Gewand von Hand zu nähen! Oftmals gibt’s jedoch den unangenehmen
Faktor „Zeitdruck“, und dann nähe ich die grossen Teile mit der Maschine
zusammen- alles was irgendwie von Aussen sichtbar ist geschieht von Hand-
Stickereien und anderer Dekor natürlich sowieso. Worauf ich bisher
auch nicht verzichtet habe, ist das „moderne“ Innenleben zwischen
Oberstoff und Futter vor allem für festere Materialien-
also werden die nötigen Einlagen dort mit der Bügelpresse aufgeklebt.
Hast Du selber ein Lieblingskostüm oder Epoche?
Martina: Renaissance, Rokoko, Empire und Belle Epoque.
Lieblingskleid ist immer das, was gerade in Arbeit ist- zuletzt
ein Empire-Winterkleid aus Samt und demnächst ein Ballkleid um
1910 – ungeschlagen natürlich meine Française....
Wie kann man ein Gewand von Dir bekommen?
Martina: Ganz einfach: Indem man sich bei mir meldet.